Folgeverordnung

Der Begriff Folgeverordnung ist Teil des zur Verordnung von Rehabilitationssport zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen zu verwendenden Muster 56. Dieses Muster enthält eine Ankreuzmöglichkeit für den Text „Folgeverordnung mit Begründung, warum erlernte Übungen nicht oder noch nicht selbstständig durchgeführt werden können“ und eine Leerzeile, um die geforderte Begründung als Freitext eintragen zu können. Für den verordnenden Arzt stellt sich damit die Frage, unter welchen Voraussetzungen er von einer Folgeverordnung auszugehen und somit das Kreuz an dieser Stelle zu setzen hat. Für den Rehasportanbieter stellt sich die Frage, ob und inwieweit er prüfen muss, ob der verordnende Arzt diesen Teil des Vordrucks korrekt bzw. nicht korrekt ausgefüllt hat. Beide benötigen deshalb ein zutreffendes Verständnis des Begriffs „Folgeverordnung“. Das Muster 56 enthält keine Definition des Begriffs Folgeverordnung. Die angeordnete Begründungspflicht lässt jedoch vermuten, von welchemVerständnis die Gestalter des Musters, also die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV), ausgegangen sind: ihrer Auffassung nach besteht der Charakter einer Folgeverordnung darin, demVersicherten weitere Gelegenheiten zu geben, sich das selbstständige Durchführen von Rehasportübungen anzueignen. Bekräftigt wird diese Vermutung durch eine Passage in den von KBV und GKV-SV gegebenen Erläuterung zumMuster 56. Dort heißt es ähnlich: „Im Freitextfeld ist zu begründen, warumdie/der Versicherte nicht oder noch nicht in der Lage ist, die erlernten Übungen selbständig und eigenverantwortlich durchzuführen und somit eine weitere Verordnung erforderlich ist“ . Dass ein solches Verständnis rechtlich nicht haltbar ist, soll gleich gezeigt werden. Zunächst sei der Vollständigkeit halber noch darauf hingewiesen werden, dass bei der Suche nach einer Definition des Begriffs Folgeverordnung auch die BAR-Rahmenvereinbarung nicht weiterhilft, in ihr ist der Begriff nicht einmal enthalten. Gleiches gilt für die sich mit dem Rehasport beschäftigenden Vorschriften des SGB V und des SGB IX (§ 43 SGB V und § 64 SGB IX). Gerichtsentscheidungen zum Begriff Folgeverordnungen sind, soweit ersichtlich, nicht ergangen. Das Fehlen einer gesetzlichen Erwähnung des Begriffs Folgeverordnung führt zu der Frage, ob die KBV und der GKV-SV diesen Terminus überhaupt im Muster 56 vorgeben dürfen. Eine generelle Befugnis zur Gestaltung von Verordnungsvordrucken ist im SGB V durchaus enthalten (§ 87 Abs. 1 Satz 2 sowie § 295 Abs. 3 Satz 1 Nummer 2 SGB V). Fraglich ist aber, ob sich der konkrete Inhalt des Muster 56 innerhalb des gesetzlich vorgegebenen Rahmens hält. Den gesetzlichen Rahmen für die Verordnung des Rehabilitationssportes gibt § 64 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX vor. Die Norm bezeichnet die Leistung als „Rehabilitationssport in Gruppen unter ärztlicher Betreuung und Überwachung“ . Nach demWillen des Gesetzgebers soll also der Rehabilitationssport in einer „Gruppe“ durchgeführt werden. Der Leistungsanspruch des Versicherten endet mithin nicht dann, wenn er die Rehasportübungen selbstständig und eigenverantwortlich durchführen, sondern erst dann, wenn seine medizinische Rehabilitation nicht mehr durch das Gruppenerlebnis gefördert werden kann. Rehabilitationssport ist also mitnichten bloße„Hilfe zur Selbsthilfe“. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits ganz ausdrücklich so entschieden. Danach „wirkt gerade das Gemeinschaftserlebnis, mit anderen vergleichbar Betroffenen Sportliches leisten zu können, in besonderer Weise rehabilitativ“ (Urteil vom 02.11.2010 zum Aktenzeichen B 1 KR 8/10 R, kostenfrei abrufbar z.B. unter openjur.de). Damit ist aber auch klar, dass der Begriff der Folgeverordnung nicht so zu verstehen sein kann wie im Muster 56: Wenn dort für das Vorliegen einer Folgeverordnung eine Begründung verlangt wird, „warum erlernte Übungen nicht oder noch nicht selbstständig durchgeführt werden können“ , verkennt der Vordruck, dass es auf die Fähigkeit der „Hilfe zur Selbsthilfe“ nicht ankommt. Anders ausgedrückt: Rehabilitationssport kann vom Arzt auch dann verordnet werden, wenn der Versicherte zwar über die Fähigkeit verfügt, Rehasportübungen selbstständig durchzuführen, er aber zur medizinischen Rehabilitation das Gruppenerlebnis benötigt.

WANN I ST E I NE VERORDNUNG E I NE FOLGEVERORDNUNG?

F136 – Version 19-03-2024 | 2/03 ©

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